Wie blicken die Bundesbürger auf die deutsche Nationalmannschaft? Diese Frage löste wenige Tage vor Beginn der Fussball-Europameisterschaft (EM) in Deutschland eine Debatte aus. Ausgelöst wurde sie durch eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap zu Migration und Fussball. Das Ergebnis: 21 Prozent der Menschen in Deutschland wünschen sich, dass in der Nationalmannschaft mehr weisse Spieler mit dabei wären. Eventuell lässt das Ergebnis auf den Wähleranteil der AFD bei den kommenden Wahlen in Deutschland schliessen - doch das ist ein anderes Thema.
Mir stellt sich vielmehr die Frage, wie eine solche Umfrage in der Schweiz aussehen würde. Ich vermute, vor der EM hätte das Ergebnis ähnlich ausgesehen – leider. Doch jetzt sind wir alle Schweizer-Nati-Fans! Wir sind stolz auf das, was unsere Jungs auf dem Platz abliefern. Hautfarbe und Herkunft sind kein Thema mehr. Das ist gut so und wäre auch angebracht, wenn die Nati schlecht spielen würde – nota bene.
Nationalstolz. Das ist so eine Sache. Wenn ich jemanden sagen höre «Ich bin stolz, Schweizer zu sein», denke ich, wieso stolz? Wo genau ist hier die Leistung? Schliesslich kann keine Schweizerin und kein Schweizer etwas dafür, dass in ihrem Fall die Spermaverteilung inklusive Eibefruchtung gerade in der Schweiz passierte und die Geburt im Anschluss auch. Es hätte alles genauso gut in Mexiko, in Burundi oder sonst irgendwo auf der Welt passieren können.
Ich bin froh und dankbar, dass ich in der Schweiz leben darf. Das ist etwas anderes als stolz sein. Ich bin froh und dankbar, in einem friedlichen Land zu leben, in dem es einem Grossteil der Bevölkerung gut geht. Ich bin froh und dankbar, dass ich wählen und abstimmen darf. Es gibt abertausende Dinge in der Schweiz, die mich glücklich machen. Wenn man hier leben darf, ist das ein Privileg. Aber nichts, auf das man stolz sein sollte. Dankbarkeit ist der richtige Begriff.
Kolumne vom 4. Juli 2024 im General Anzeiger Brugg sowie in der Rundschau Süd und Nord. Die Kolumne findest du auf der Seite 9. 👉 https://ihre-region-online.ch/general-anzeiger/#general-anzeiger-test/8/
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