Das Fluchen ist Fluch und Segen gleichzeitig. Ein Fluch, weil das Gegenüber mit grosser Wahrscheinlichkeit wegen der verbalen Aggression brüskiert wird. Ein Segen, weil es verdammt befreiend ist, sich den aufgestauten Frust mit einem einzigen treffenden Wort von der Seele zu sprechen.
Wer glaubt, dass das Verwenden von Kraftausdrücken und der Fäkalsprache aus Mangel an sprachlicher Kompetenz geschieht, liegt durchaus falsch. Im Gegenteil: Fluchen ist ein Zeichen von Intelligenz und Kreativität. Und ich vermute, dass jene, die gepflegt und hingebungsvoll fluchen, oft glücklicher und gesünder leben als die armen verklemmten Gemüter, die alles in sich hineinfressen.
Nehmen wir als Beispiel mein Lieblingsfluchwort «Hueresiech». Ein facettenreiches Wort mit vielen Bedeutungen; und es kann in beinahe jedem Zusammenhang benutzt werden: Beim Einkaufen, wenn die letzte Zutat für das geplante aufwendige Silvestermenü bei keinem Grossverteiler mehr verfügbar ist. Beim Zahnarzt, wenn dieser mit roher Gewalt im Mund herumfuhrwerkt, oder wenn man beim Schreiben einer Kolumne ständig vom Partner wegen Nichtigkeiten gestört wird. Sie sehen: Der lautstarke Ausruf «Hueresiech!» passt immer.
Menschen mit einem passenden Kraftausdruck zu betiteln, tut auch gut. Allerdings lohnt es sich hier, den «Titel» nur zu denken und dem oder der Betreffenden nicht gnadenlos um die Ohren zu schlagen. Denn ein Schafseckel hört nicht gerne, dass er in der Tat ein Schafseckel ist. Dasselbe gilt übrigens auch für Arschlöcher. Und von beiden Sorten gibt es leider Gottes viele. Zu viele, meiner bescheidenen Meinung nach.
Sollten Sie sich vorgenommen haben, im Jahr 2022 weniger zu fluchen, lassen Sie es sein! Es bringt nichts. Denn eines hat uns die Pandemie gelehrt: Die Gesundheit ist unser wichtigstes Gut, und dazu gehört auch das psychische Wohlergehen. Da es für die Gesundheit der Seele keine Impfung gibt, hilft wohldosiertes Fluchen. Probieren Sie es aus, und bleiben Sie gesund!
Du findest meine Kolumne auf Seite 9.
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