Die Wahrheit hat Burnout
- Lea Grossmann
- vor 6 Minuten
- 2 Min. Lesezeit
Susanne Wille steht im Studio und sagt klar und deutlich: «Ja, natürlich bin ich für die Halbierungsinitiative.» Die Lippen bewegen sich zur Stimme, der Dialekt authentisch, das Licht perfekt. Nur: Sie hat das nie gesagt. Das ganze Video ist Fake. Deepfake.
In der Welt der Deepfakes weiss man nicht, ob der Papst wirklich zum Islam konvertiert ist oder bloss ein Algorithmus seine Lippen bewegt. Früher war es einfach: Wenn einer log, erkannte man es am Gesichtsausdruck – und nicht erst beim Faktencheck.
Die Wahrheit kommt nicht mehr hinterher. Sie rennt, stolpert, fällt, während Algorithmen längst neue Realitäten erschaffen. Deepfakes sind keine Spielerei, sie sind Werkzeug und Waffe zugleich: politisch, wirtschaftlich, persönlich. Ein Bild auf einer Social-Media-Plattform reicht, und man spielt plötzlich die Hauptrolle in einem Porno, der nie gedreht wurde.
Medienkompetenz ist heute wichtiger denn je. Sie sollte Kindern früh zu Hause und in der Schule vermittelt werden. Doch oft bleibt sie auf der Strecke. Natürlich gibt es Lehrpersonen und Eltern, die wissen, wie digitale Täuschung funktioniert und sie thematisieren. Aber es gibt auch jene, die schon froh sind, wenn sie das notierte Passwort nicht wieder versehentlich in den Papierkorb werfen.
Doch Verantwortung allein der Gesellschaft zu überlassen, greift zu kurz. Auch die Politik muss handeln. Es kann nicht sein, dass sich künstliche Intelligenz im rechtsfreien Raum bewegt. Wenn künstliche Intelligenz (KI) in der Lage ist, Menschen zu kopieren, braucht es klare Gesetze, Grenzen und Konsequenzen. Kinderpornos auf Knopfdruck ist kein Fortschritt, sondern ein Albtraum.
Und während wir uns noch fragen, ob ein Video echt ist, lernt die KI bereits, wie Empathie klingt, wie Vertrauen aussieht und wie man beides perfekt imitiert.
Vielleicht hat die Wahrheit kein Burnout. Vielleicht wird sie nur nicht mehr gesehen.
Die Wahrheit hat Burnout: Kolumne vom 30. Oktober 2025 im General Anzeiger Brugg sowie in der Rundschau Süd und Nord.





