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Mit bestem Dank zurück

«Hunderte Gastfamilien geben Flüchtlinge zurück.» Eine Schlagzeile einer Schweizer Gratiszeitung, die man in der Regel in weniger als 20 Minuten gelesen hat. Ich fand die Schlagzeile auf Twitter und weiss gar nicht, wo anfangen.

Diese menschenverachtende Schlagzeile hat mich schockiert. Es geht um Menschen, die Traumatisches erlebt haben, was für die meisten von uns unvorstellbar ist. Was hat sich der Journalist oder die Journalistin beim Verfassen dieser Schlagzeile gedacht? Warum hat niemand eingegriffen, bevor die Zeitung gedruckt worden ist? Bei genauerer Betrachtung wird die Schlagzeile nicht besser, doch ich frage mich, was eigentlich mit uns Schweizerinnen und Schweizern los ist. Ist das unsere Mentalität? Alles wegwerfen, was nicht gefällt? Oder zurückschicken wie Zalando-Pakete?

Die Solidaritätswelle gegenüber den geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern ist grundsätzlich wundervoll. Sie erinnert mich an die Anfänge der Pandemie: Alle haben einander geholfen. Es wurde auf Balkonen geklatscht und gesungen. Wie es am Schluss endete, wissen wir: Die Gesellschaft war – oder ist noch immer – gespalten.

Ich hege das dumpfe Gefühl, dass auch in der aktuellen Krise die anfängliche Solidarität rasch schwindet. Jene, die Flüchtlinge aus einer gutgemeinten Laune heraus aufgenommen haben und nun wieder loswerden wollen, handeln opportunistisch und egoistisch. Ob das die gleichen Menschen sind, die Hunde und Katzen vor den Ferien auf Autobahnraststätten aussetzen, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls sollten die ach so solidarischen Menschen vor der Entscheidung, Flüchtlinge aufzunehmen, sich überlegen, ob sie wirklich mit fremden, traumatisierten Menschen unter einem Dach leben können und wollen. Falls Zweifel bestehen, sind die Schutzsuchenden in professionell geführten Unterkünften besser aufgehoben. Denn wie sagt der Volksmund so treffend: Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut gemacht.


General Anzeiger Brugg vom 14. April
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Du findest die Kolumne auf Seite 9.

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